(Tiefe) Dentinkaries und restaurative Versorgung

ADOPTED by FDI General Assembly September, 2018 in Buenos Aires, Argentina

Kontext

Die Gegenwärtigen Prinzipien in der Kariologie empfehlen den Härtegrad des noch vorhandenen demineralisierten kariösen Dentins als Kriterium für die Entfernung kariösen Gewebes in Dentinkavitäten besonders im Interesse des Erhalts der pulpalen Gesundheit1. Die Methode der kompletten Entfernung des demineralisierten und verfärbten Dentins, von G.V. Black vor ca. 150 Jahren entwickelt,2 wird jedoch nach wie vor an zahlreichen zahnmedizinischen Fakultäten gelehrt und von zahlreichen Zahnärzten weltweit praktiziert. Diese Praxis verdeutlicht, dass die wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Kariesexkavation und Kavitätenpräparation nicht ausreichend Eingang in die studentische Ausbildung und die klinische Praxis finden und es auf diese Weise zu einer unnötigen Entfernung von Zahnsubstanz kommt.

Geltungsbereich

Die vorliegende Stellungnahme unterstützt zeitgemäße Behandlungsverfahren für kariöses Dentin, die auf der Basis evidenzbasierter Forschungen entwickelt wurden, sowie im internationalen Konsens erarbeitete Empfehlungen mit dem Ziel, die Pulpenvitalität in (tiefen) Kavitäten zu erhalten und damit die Lebensdauer des Zahns zu erhöhen1,3.

Definitionen

Dentalkaries: Erkrankung infolge der Verschiebung des ökologischen Gleichgewichts des dentalen Biofilms von einer ausgewogenen Zusammensetzung zugunsten einer kariogenen Population von Mikroorganismen, die durch die häufige Aufnahme fermentierbarer Kohlenhydrate unterhalten werden und zur Demineralisierung dentalen Hartgewebes beitragen. Anzeichen und Symptome hierfür sind Kariesläsionen4.

Dentinkavität: struktureller Schaden im Schmelz und im Dentin mit der Folge einer Kavität.

Grundsätze

Entsprechend ethischer Grundsätze sollte die Behandlung kariöser Läsionen mit der am wenigsten invasiven Therapie erfolgen, mit der die Entwicklung der Erkrankung verhindert und ein weiteres Fortschreiten gestoppt werden kann und die dem Patienten die Möglichkeit gibt, seine Mundgesundheit zu verbessern und zu erhalten5.

Stellungnahme

Die FDI unterstützt die folgenden empfohlenen klinischen Leitlinien für die Entfernung kariösen Gewebes in Dentinkavitäten symptomfreier Zähne1:

  • Erhalt nicht-demineralisierten und remineralisierbaren Dentins
  • Anstreben einer adäquaten Abdichtung durch Legen der peripheren Restauration auf gesundes Dentin und/oder Schmelz, um auf diese Weise die kariöse Läsion zu kontrollieren und die verbleibenden Bakterien zu inaktivieren.
  • Weitgehende Vermeidung von Unannehmlichkeiten/ Schmerzen und Behandlungsangst.
  • Erhalt der pulpalen Gesundheit durch Schonung des noch vorhandenen Dentins und Vermeidung einer  Pulpaexposition; d. h. befallenes weiches Dentin verbleibt gegebenenfalls in der Nähe der Pulpa.
  • Maximierung der Lebensdauer der Restauration durch Entfernung einer ausreichenden Menge weichen Dentins, damit eine dauerhafte Restauration ausreichender Dimension und Belastbarkeit mit guter Abdichtung gelegt werden kann.

Die FDI empfiehlt, dass die nationalen Zahnärzteverbände, Universitäten und zahnmedizinischen Fakultäten:

  • ihren Mitgliedern nahelegen, evidenzbasierte Forschungsergebnisse in ihre tägliche Praxis umzusetzen;
  • ihren Mitgliedern von invasiven Behandlungsmethoden abraten, die kariöses Gewebe in der Nähe der Pulpa komplett entfernen;
  • weniger invasive zahnerhaltende Methoden der Kariesexkavation zu unterstützen, wie sie von der International Caries Consensus Cooperation (ICCC) empfohlen werden. Dazu gehören die selektive Ausräumung kariösen Gewebes an weichem, festem und hartem Dentin, schrittweise Exkavation, Hall-Technik, atraumatische restaurative Behandlung (ART) und nicht-restaurative Methoden der Karieskontrolle wie Silberdiaminfluorid, wenn indiziert1.

Disclaimer

Die Informationen in dieser Stellungnahme basieren jeweils auf dem aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand. Sie können so ausgelegt werden, dass sie existierende kulturelle Sensibilitäten und sozioökonomische Zwänge widerspiegeln.

Literaturhinweise

  1. Schwendicke F, Frencken JE, Bjørndal L, Maltz M, Manton DJ, Ricketts D, Van Landuyt K, Banerjee A, Campus G, Doméjean S, Fontana M, Leal S, Lo E, Machiulskiene V, Schulte A, Splieth C, Zandona AF, Innes NP. Managing Carious Lesions: Consensus Recommendations on Carious Tissue Removal. Adv Dent Res. 2016 May;28(2):58-67.
  2. Innes NPT, Schwendicke F. Restorative Thresholds for Carious Lesions: Systematic Review and Meta-analysis. J Dent Res. 2017 May;96(5):501-508. 
  3. Kidd EA. How 'clean' must a cavity be before restoration? Caries Res 2004 May-Jun;38(3):305-13.
  4. Fejerskov O, Nyvad B, Kidd EA. Pathology of dental caries. In: Fejerskov O, Nyvad B, Kidd EA (eds). Dental caries: the disease and its clinical management. 3rd ed. Oxford (UK): Wiley Blackwell, 2015; p 7-9.
  5. Caries Prevention and Management Chairside Guide. Geneva, FDI World Dental Federation, 2017. Available from: https://www.fdiworlddental.org/resources/toolkits/caries-prevention-and-....

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