Infektionsprävention und Infektionskontrolle in der zahnärztlichen praxis

ADOPTED by FDI General Assembly September, 2009 in Singapore, Singapore
REVISED by FDI General Assembly September, 2021 in San Francisco, United States of America

Kontext

Die Grundsätze der Infektionsprävention und -kontrolle bleiben unverändert bestehen. Neue Technologien, Materialien, Ausstattungen und aktuelle Daten zeigen aber, wie wichtig eine kontinuierliche Bewertung der aktuellen Praktiken zur Infektionskontrolle[1]und eine kontinuierliche Weiterbildung des zahnärztlichen Personals sind.

 

Geltungsbereich

Die vorliegende Stellungnahme beschreibt die Grundprinzipien der Infektionsprävention und der Infektionskontrolle. Detailliertere Informationen finden sich in  der Literaturliste und in den einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften.

 

Definitionen

Infektionsprävention und -kontrolle (IPK): wissenschaftliches Vorgehen und praktische Lösungen zur Vermeidung von Schäden durch Infizierung von Patienten und medizinischem Personal[2]

Standard-Vorsichtsmaßnahmen: Leitlinien für die Prävention infektiöser Krankheiten einschließlich nosokomialer Infektionen. Zu den Standard-Vorsichtsmaßnahmen gehört eine Kombination aus allgemein anerkannten Sicherheitsvorschriften und Schutzmaßnahmen für den Umgang mit Körpersubstanzen für alle Patienten ungeachtet ihrer Diagnose oder ihres möglichen Infektionsstatus.3

 

Grundsätze

Es liegt in der Verantwortung des Zahnarztes, ein Protokoll zu erstellen, das die Ausbreitung von Infektionen in der zahnärztlichen Praxis vermeidet und so die Patienten, die Mitarbeiter und ihn selbst schützt. Dies lässt sich durch die Einhaltung nationaler oder lokaler empfohlener Verfahren der Infektionskontrolle erreichen. Jeder Patient ist potenziell ein Pathologieträger, das Vorsorgeprinzip muss deshalb für alle gelten.

 

Stellungnahme

Die FDI unterstützt die folgenden Auffassungen:

  • Rechtliche Empfehlungen, Leitlinien und Rechtsvorschriften sind im Rahmen von Konsultationen mit dem zahnmedizinischen Berufsstand zu entwickeln. Alle veröffentlichten Rechtsvorschriften und/oder Leitlinien sollten eindeutig formuliert, machbar und praktikabel sein und zeitnah verbreitet werden.
  • Empfehlungen, Leitlinien und Rechtsvorschriften mit Auswirkungen auf die in Zahnarztpraxen vorgeschriebenen Standard-Vorsichtsmaßnahmen müssen evidenzbasiert sein oder auf international anerkannten besten Praktiken beruhen. Bei fehlenden ausreichenden empirischen Nachweisen sollten die sorgfältig geprüften Beurteilungen einer weithin anerkannten Expertenrunde die Grundlage für jede Leitlinie sein.
  • Praxen sollten eine angemessene finanzielle Vergütung erhalten, wenn infolge der Beachtung neuer Leitlinien für die Infektionskontrolle, die angesichts neuer Risiken umgesetzt werden müssen, zusätzliche Kosten entstehen.
  • Regierungen, zuständige nationale Gremien und örtliche/regionale Zahnärzteverbände sollten die Öffentlichkeit über die Bedeutung einer guten Infektionskontrolle in zahnärztlichen Praxen und die Effektivität solcher empfohlenen Verfahren aufklären und darauf hinweisen, dass es aus diesem Grunde kein signifikantes Risiko gibt, sich bei der zahnmedizinischen Versorgung mit einer übertragbaren Krankheit zu infizieren.
  • Empfehlungen zur Infektionsprävention und Infektionskontrolle in medizinischen Einrichtungen müssen ein fester Bestandteil der Erstausbildung sein (Studienplan und klinische Aktivitäten). Dies sollte ein Meldesystem für kritische Zwischenfälle beinhalten und die Umsetzung daraus gewonnener Erkenntnisse erlauben.
  • Infektionsprävention und Kontrolle in der zahnärztlichen Praxis sollte ein festes Thema der beruflichen Weiterbildung sein.

Allgemeines

Das zahnärztliche Personal ist verpflichtet, seine Kenntnisse und Fähigkeiten in Bezug auf die Diagnose und das Management von Infektionskrankheiten, die im klinischen Umfeld übertragen werden können, auf dem neuesten Stand zu halten. Das Personal muss die Standard-Vorsichtsmaßnahmen und gegebenenfalls neue IPK-Vorschriften der zuständigen Behörden befolgen und geeignete Maßnahmen ergreifen, um  Patienten, Personal und sich selbst vor Infektionen zu schützen.

Zu diesem Maßnahmen gehören:

  • Umsetzung von Sauberkeitsgeboten und Desinfektion aller exponierten Flächen im Arbeitsumfeld;
  • Befolgung von Protokollen, die von den zuständigen Behörden zur Dekontaminierung, Desinfektion, Sterilisierung, Belüftung und zur Aufbereitung benutzter Instrumente und zur Entsorgung klinischer Abfälle angenommen und/oder empfohlen werden4;
  • Verwendung geeigneter Sterilbarriersysteme, damit sterile Instrumente vor Rekontamination geschützt werden;5
  • Verwendung von Einmalinstrumenten, falls erforderlich;
  • besonders sorgfältiger Umgang mit scharfen/spitzen Instrumenten und kontaminiertem Material; diese nach Gebrauch aus dem Arbeitsbereich entfernen und in einen eindeutig gekennzeichneten und durchstichsicheren Behälter entsorgen; die Entsorgung muss rückverfolgbar sein;
  • Anwendung der Grundregeln der Desinfektion für Vorrichtungen, Prothesen, Abdrücke, Instrumente und andere Artikel, die dem Dentallabor zugestellt oder vom Labor geliefert werden;
  • Biopsie-Proben sind mit besonderer Sorgfalt zu behandeln und entsprechend den empfohlenen Leitlinien in absolut dichten Behältern aufzubewahren;
  • Gestaltung von (neuen) Zahnkliniken, die eine gute Belüftung und ausreichende Luftaustauschraten gewährleisten, um die Infektionskontrolle zu erleichtern.

Gesundheitsfachkräfte

Die FDI fordert Zahnärzte und Mitglieder des zahnmedizinischen Teams nachdrücklich auf:

  • sich entsprechend der durchzuführenden Behandlung und des Risikos mechanisch zu schützen (Mundschutz, Atemschutzmaske, Handschuhe, Visiere/Schutzbrillen, Kleidung);
  • Kenntnisse über Gesundheitsprobleme infolge der Benutzung verstärkter persönlicher Schutzausrüstung und über Maßnahmen zu haben, die davor schützen;
  • sich entsprechend den aktuellen Leitlinien der örtlichen Behörden als prioritäre Maßnahme gegen Infektionskrankheiten impfen zu lassen;
  • nach einer berufsbedingten Exposition gegenüber durch Blut übertragene Krankheitserreger wie HBV, HCV und HIV6 sofortmit einer geeigneten Bewertung der Notwendigkeit von Postexpositionstests und -prophylaxemaßnahmen beginnen;
  • persönlich auf Anzeichen und Symptome zu achten, die den Rückschluss auf eine mögliche, durch Blut übertragene oder eine andere infektiöse Krankheit erlauben, und eine entsprechende Diagnose durchzuführen, wenn der Verdacht einer Infektion besteht. Die FDI lehnt alle gesetzgeberischen Maßnahmen ab, die eine Untersuchung von zahnmedizinischem Personal zur Feststellung des Erregerstatus im Blut und anderer Pathogene zwingend vorschreiben;
  • medizinischen Rat und einschlägige Vorschriften zur Weiterführung oder Einschränkung der klinischen Praxis und besonders von Verfahren mit hohem Expositionsrisiko zu befolgen, wenn eine durch Blut übertragene Virusinfektion diagnostiziert wurde.

Patienten

Die FDI ist der Auffassung, dass es wichtig ist, dass alle Patienten mit infektiösen Krankheiten ihren Status im Rahmen der Anamnese offenlegen, damit eine sichere und effektive zahnmedizinische Versorgung erfolgen kann. Alle Patienten sollten Zugang zu einer zahnärztlichen Behandlung unabhängig davon haben, ob sie an einer durch Blut übertragenen Erkrankung oder einer anderen infektiösen Krankheit leiden.

 

Die FDI fordert Zahnärzte und die Mitglieder ihres zahnmedizinischen Teams nachdrücklich auf:

  • aufmerksam zu sein und auf Anzeichen und Symptomen zu achten, die den Rückschluss auf eine mögliche, durch Blut übertragene oder andere infektiöse Krankheit bei ihren Patienten erlauben;
  • allen Patienten mit einer entsprechenden Anamnese nahezulegen, sich zu einem zuständigen Gesundheitsdienstleister entsprechend ihrem Krankheitsstatus oder Zustand, der auf eine Infektion hindeutet, überweisen zu lassen. Die Patienten sollten sich in einem unterstützenden Umfeld unter Wahrung ihrer Privatsphäre und der sensiblen Thematik entsprechend untersuchen und behandeln lassen;
  • ein zweckmäßiges Protokoll in Anwendung entsprechender geltender Rechtsvorschriften für den vertraulichen Umgang mit Patienteninformationen und deren Weitergabe bereitzuhalten;
  • Patienten über den vertraulichen Umgang mit ihren Daten in allen Einrichtungen zu informieren, in denen eine zahnmedizinische Versorgung erfolgt;
  • Informationen über den Krankheitsstatus von Patienten an anderes medizinisches Personal weiterzugeben, soweit dies lokale Rechtsvorschriften erlauben und der Patient dazu seine Einwilligung gegeben hat;
  • Patienten über unterschiedliche Aspekte durch Blut übertragener oder anderer infektiöser Krankheiten im Kontext der Behandlung oraler Erkrankungen zu informieren.

Diese FDI-Stellungnahme ersetzt die Stellungnahmen „Infektionen mit  dem Humanen Immundefizienz-Virus und andere mit dem Blut übertragene Infektionen“ (2000) und „Sterilisation und Kontrolle von Kreuzinfektionen in der zahnmedizinischen Praxis“ (2005)  

 

Schlüsselwörter

Patientensicherheit, Infektionsprävention und –kontrolle, Hygiene, Standard-Sicherheitsvorschriften, berufsbedingte Exposition.

 

Disclaimer

Die Informationen in dieser Stellungnahme basieren jeweils auf dem aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand. Sie können so ausgelegt werden, dass sie existierende kulturelle Sensibilitäten und sozioökonomische Zwänge widerspiegeln.

 

Literaturhinweise

  1. Center for Disease Control and Prevention, Infection Prevention & Control in Dental Settings, 2019. Abrufbar unter: http://www.cdc.gov/OralHealth/infectioncontrol/index.html
  2. Weltgesundheitsorganisation, About Infection Control, 2019. Abrufbar unter: https://www.who.int/infection-prevention/about/ipc/en/. Letzter Zugang 16. August 2019.
  3. Center for Disease Control and Prevention. Summary of Infection Prevention Practices in Dental Settings: Basic Expectations for Safe Care. US Department of Health and Human Services, Division of Oral Health; 2016. Abrufbar unter:  https://www.cdc.gov/oralhealth/infectioncontrol/guidelines/index.htm
  4. United States Department Of Health and Human Services (CDC). US Food and Drug Administration 2017. Reprocessing Medical Devices in Health Care Settings: Validation Methods and Labeling. Abrufbar unter: https://www.fda.gov/regulatory-information/search-fda-guidance-document…
  5. FDI-Stellungnahme Nachhaltigkeit in der Zahnmedizin, 2017. Angenommen im August 2017, Madrid, Spanien.  Abrufbar unter: https://www.fdiworlddental.org/resources/policy-statements-and-resoluti…
  6. Center for Disease Control and Prevention, 2013. Aktualisierte Leitlinien des U.S. Public Health Service für das Management einer berufsbedingten HIV-Exposition und Empfehlungen für eine Postexpositionsprophylaxe. Abrufbar unter: https://npin.cdc.gov/publication/updated-us-public-health-service-guide…

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