Bioaktive Restaurationsmaterialien

ADOPTED by FDI General Assembly September, 2022 in Geneva, Switzerland

Kontext

Der Begriff „bioaktiv“ ist inzwischen weit verbreitet und wird zunehmend in der Werbung zur Beschreibung von Materialien für Zahnrestaurationen und in wissenschaftlichen Publikationen verwendet. Darüber hinaus enthält der Titel einiger Fachzeitschriften ebenfalls den Begriff „bioaktiv“. In der medizinischen und zahnmedizinischen Fachliteratur1 - 4 finden sich zahlreiche Definitionen für diesen Begriff, doch die Verwendung wird weiterhin kontrovers diskutiert.  Darüber hinaus hat bisher keine internationale Zahnärzteorganisation diesen Begriff beschrieben. Es ist daher jetzt erforderlich, diese Beschreibung vorzunehmen, um eine falsche Verwendung des Begriffs „bioaktiv“ zu verhindern und um auf diese Weise Zahnärzte und Patienten zu schützen. Der Begriff ist zu regulatorischen Zwecken zu definieren, damit Möglichkeiten für zukünftige Entwicklungen ermöglicht werden.

 

Geltungsbereich

Der Begriff „bioaktiv“ wird in dieser Stellungnahme auf Materialien für Zahnrestaurationen begrenzt, darin eingeschlossen sind Materialien für direkte oder indirekte Restaurationen, für nicht-adhäsive und adhäsive Verfahren (Befestigung an der Zahnhartsubstanz durch mikromechanische oder chemische Verankerung) und für die indirekte und direkte Überkappungen der Pulpa.

 

Definitionen

Restaurationsmaterialien: Werkstoff, der dazu bestimmt ist, die  Form und Funktion verlorengegangener Zahnsubstanz wiederaufzubauen oder zu korrigieren.

Indirekte Überkappung der Pulpa: Überkappung zum Schutz der vitalen Pulpa eines Zahns mit einer penetrierenden Kariesläsion, deren vollständige Entfernung zur Exposition der Pulpa führen könnte.5

Direkte Überkappung der Pulpa: Überkappung einer eröffneten Pulpa mit dem Ziel der Vitalerhaltung der Pulpa. 5

 

Grundsätze

Die Vorsilbe „bio“ (Griechisch für „Leben“) kann sich in diesem Kontext beziehen auf:

  • den Prozess/Mechanismus der Wirkung
  • die Zielgewebe, hier in erster Linie Zahnschmelz, Dentin, Pulpa und Bakterien/Biofilme.

Während der Begriff „bioaktiv“ neutral ist und  erwünschte oder unerwünschte Wirkungen beschreiben kann, wird dieser Begriff in der täglichen zahnärztlichen Praxis allgemein erwünschten, lokalen und beabsichtigten Wirkungen zugeschrieben. Im Sinne der vorliegenden Stellungnahme beziehen sich diese Wirkungen auf die Reparatur (und Regeneration) oder andere Wechselwirkungen mit umgebendem Gewebe oder auf Wechselwirkungen mit Bakterien/Biofilmen auf oder in unmittelbarer Nähe von Restaurationsmaterialien.4,6,7

Je nach biologischem Prozess/Mechanismus der Wirkung lassen sich drei Wirkweisen unterscheiden:

  • rein biologisch (d. h. durch exogene Wachstumsfaktoren oder Pharmazeutika, die in Restaurationsmaterialien inkorporiert werden);
  • gemischt biologisch und chemisch Weise (z. B. durch Materialien, die die Freisetzung endogener Wachstumsfaktoren induzieren wie z. B. Kalzium, Hydroxidpräparate, oder durch Materialien, die Bakterien/Biofilme verringern oder verhindern);
  • durch Materialien, die eine rein chemische Wirkung haben (z. B. durch Abgabe von Ionen aus bioaktiven Glasfüllstoffen).

 

Stellungnahme

Der Verwendung des Begriffs „bioaktives Restaurationsmaterial“ sollte auf Werbung und Informationen zu diesen Materialien begrenzt werden, die alle fünf nachstehenden Kriterien erfüllen:

  • der Mechanismus ist eindeutig definiert und beschrieben (biologisch, gemischt, chemisch);
  •  es gibt eine wissenschaftlich dokumentierte bioaktive Wirkung in vitro oder in situ, bevorzugt auch nachgewiesen in klinischen Studien;
  •  die  Wirkungsdauer und besonders die Dauer der antibakteriellen Wirkung ist angegeben;
  • es gibt keine signifikanten nachteiligen  biologischen Nebenwirkungen (einschließlich der Entstehung und Verbreitung antimikrobieller Resistenzen);
  • der primäre Zweck, zum Beispiel die Verwendung zur Wiederherstellung der Form und Funktion verlorengegangener Zahnhartsubstanz, wird nicht beeinträchtigt; dies kann anhand von Daten aus in vitro-Studien und klinischen Studien belegt werden.

 

Schlüsselwörter

Restaurationsmaterialien, Überkappung der Pulpa, antimikrobielle Mittel, Ionenabgabe, Wachstumsfaktoren

 

Disclaimer

Die Informationen in dieser Stellungnahme basieren jeweils auf dem aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand. Sie können so ausgelegt werden, dass sie existierende kulturelle Sensibilitäten und sozioökonomische Zwänge widerspiegeln.

 

Literaturhinweise

  1. Bioactive Materials – About us. https://www.sciencedirect.com/journal/bioactive-materials
  2. Vallittu PK, Boccaccini AR, Hupa L, Watts DC. Bioactive Dental Materials-Do They Exist And What Does Bioactivity Mean? Dent Mater. 2018;5:693-694. 10.1016/j.dental.2018.03.001
  3. ADA ACE Panel Report Bioactive Materials. Ace@Ada.Org: Ada; 2018. https://www.ada.org/-/media/project/ada-organization/ada/ada-org/files/resources/research/ace/ace_panel_report_bioactive_materials_q2_2018.pdf?rev=54df567528674278a057ca494b0f2539&hash=EEE0910545FF0EF8AEE321EF3698C809
  4. Ferracane JL, Bertassoni LE. Interface between Materials and Oral Biology. J Dent Res. 2021 Sep;100(10):1009-1010. doi: 10.1177/00220345211033841.
  5. ISO 1942. 2020 Zahnheilkunde – Vokabular Genf, Schweiz: ISO Zntralsekretariat. [letzter Zugang Juni 2021]. https://www.iso.org/standard/72249.html.
  6. Widbiller M, Schmalz G. Endodontic regeneration: hard shell, soft core. Odontology. 2021 Apr;109(2):303-312. doi: 10.1007/s10266-020-00573-1.
  7. Schmalz G, Cieplik F. Biofilms on restorative materials. Monogr Oral Sci. 2021;29:155-194. 10.1159/000510191.

 

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