Klassifikation von Kariesläsionen der Zahnoberflächen und Kariesmanagement-Systeme

ADOPTED by FDI General Assembly August, 2012 in Hong Kong, Hong Kong SAR China

Einleitung

Karies gehört zu den häufigsten globalen Munderkrankungen. Das Kariesmanagement sollte deshalb auf unserem aktuellen Wissensstand über den Prozess, die Ätiologie, die Prävention und die Kontrolle der Erkrankung basieren. Die Gesundheitsförderung und das Wohlergehen aller Bevölkerungsgruppen sind auch im Kontext der Karieskontrolle zu sehen.

Hintergrund

Die erste Klassifizierung von Kariesläsionen geht auf den amerikanischen Zahnarzt GV Black zurück, stammt etwa aus dem Jahr 1900 und fand für operative Verfahren Verwendung1. Ein Jahrhundert später wird dieses System von der Mehrzahl der Zahnärzte nach wie vor verwendet.

Im Verlauf der letzten 30 Jahre hat sich unser Verständnis der Ätiopathologie sowie der Natur der Karies und des Kariesprozesses deutlich verbessert. Dentalkaries ist die lokal begrenzte Zerstörung dafür anfälliger Zahnhartsubstanz durch saure Nebenprodukte der bakteriellen Fermentation von Kohlenhydraten. Der Kariesprozess ist die dynamische Abfolge von Wechselwirkungen zwischen Biofilm und Zahn, zu denen es im Laufe der Zeit auf und unter der Oberfläche eines Zahns kommen kann. Ein besseres Verständnis haben wir heute auch von der bakteriellen Übertragung auf Kleinkinder, von der Bedeutung häufig vorkommender Risikofaktoren und von den potenziellen Auswirkungen der Karies auf die Allgemeingesundheit.

Wissenschaftler und Kliniker sehen inzwischen ebenfalls ein gestiegenes Interesse an minimalinvasiven Verfahren bei der chirurgischen Kariesbehandlung einschließlich des Potenzials, das Fortschreiten der Karies zu verhindern und Anfangsläsionen zu remineralisieren.

Am anderen Ende des Krankheitsspektrums müssen die Folgen einer unbehandelten Karies sowohl für den einzelnen Menschen als auch für die Gesellschaft erkannt werden, da es eine wachsende Evidenz für den engen Zusammenhang zwischen Mundgesundheit, Allgemeingesundheit und Lebensqualität gibt.

Aktueller Standpunkt

  • Karies ist eine multifaktorielle Erkrankung, die weitgehend verhindert werden kann.
  • Der Krankheitsprozess führt zunächst zum Verlust von Mineralionen aus der Zahnoberfläche und den darunter liegenden Bereichen mit einer möglichen späteren Kavitation der Zahnoberfläche.
  • Die Krankheit etabliert sich vor der Kavitation der Zahnoberfläche.
  • Der Krankheitsprozess kann behandelt und in der Frühphase rückgängig gemacht werden; eine frühzeitige Erkennung und der Stillstand bzw. die Umkehrung des Prozesses sind äußerst wünschenswert und in den meisten Fällen ohne Restauration („chirurgische Behandlung”) des Zahns möglich.
  • Wird nicht frühzeitig eingegriffen, kommt es zu einer Progression der Läsion und zu einer dauerhaften Schädigung der Zahnstruktur (d. h. Kavitation), verbunden mit einer zunehmenden Belastung des Patienten während seines gesamten Lebens.
  • Modifizierbare und nicht-modifizierbare Risikofaktoren sind wichtige Einflussfaktoren.
  • Soziale Gesundheitsdeterminanten spielen eine Rolle bei der Risikoabschätzung, der Behandlung und beim weiteren Management einer Kariesläsion.
  • Die Black-Klassifikation beruht auf fünf standardisierten Kavitätenklassen, die nicht die Größe einer Läsion berücksichtigen.
  • Eine geänderte Klassifikation sollte Lage, Stadium, Aktivität und Größe von Läsionen sowohl bei Primärkaries als auch bei rezidivierender Karies mit den jeweils angezeigten Möglichkeiten für Restaurationen und Versiegelungen berücksichtigen.
  • Eine neue Klassifikation hätte im Idealfall Bedeutung für Milchzähne und bleibende Zähne und würde ebenfalls die systemischen Folgen einer unbehandelten Karies berücksichtigen.
  • Eine neue Klassifikation sollte die Entscheidungsträger in die Lage versetzen, den Mundgesundheitsstatus der Bevölkerung zu verstehen, Bedürfnisse und Prioritäten der zahnmedizinischen Versorgung zu erkennen und die bisherigen Behandlungen richtig einzuordnen.
  • Eine neue Klassifikation sollte relevante und qualitativ hochwertige Informationen für die klinische Praxis, für die Ausbildung und für die Forschung enthalten.
  • Eine neue Klassifikation sollte sich an der Notwendigkeit eines frühen Stillstandes und Umkehrung des Krankheitsverlaufs, an der Möglichkeit der Überwachung einer präventiven Behandlung und an der Komplexität einer Restauration ausrichten, falls eine solche erforderlich wird.
  • Das Kariesmanagement und die Überwachung des Erkrankungsverlaufs sollten lokale orale Faktoren, den allgemeinen Gesundheitsstatus und das Umfeld des einzelnen Patienten berücksichtigen.

Der Weltverband der Zahnärzte FDI empfiehlt:

  • Die weitere Entwicklung und Einführung eines Klassifikationssystems für Kariesläsionen und eines Kariesmanagementsystems einschließlich Risikoabschätzung und Prävention, das den gesamten Kariesbefall (klinisch) auf Ebene der Bevölkerung und auf Ebene der Einzelpersonen beschreiben und dokumentieren kann.
  • Verwendung des Systems der Kariesklassifizierung und des Kariesmanagements als Grundlage für die Kommunikation mit Patienten, Gesundheitsfachkräften und Regierungen sowie deren Unterrichtung über Karies, Kariesprävention und Kariesmanagement.
  • Verwendung des Systems der Klassifikation und des Managements von Karies als Rahmen für die Gestaltung einer zweckmäßigen Gesundheitspolitik und für angemessene Planungsentscheidungen sowie für eine zweckmäßige und kosteneffektive Umsetzung der Planung des Kariesmanagements.
  • Entwicklung adäquater und geeigneter Systeme für Überwachung, Protokollierung und IT-Unterstützung.
  • Nutzung bisheriger, laufender und zukünftiger Forschungsprojekte zur Verbesserung der Systeme und ihrer Anwendung als Ziel mit Priorität.

Literaturnachweise

  1. Black GV. Operative Dentistry, Vol 1 1908

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