Die Rolle von Zahnärzten und Mitgliedern des zahnmedizinischen Teams während des Ausbruchs von Infektionskrankheiten

ADOPTED by FDI General Assembly September, 2021 in Sydney, Australia

Kontext

Das Auftreten des neuartigen Coronavirus (COVID-19-Pandemie) und seine Auswirkungen auf die Praxis von Zahnärzten und die Ausbildung von Studierenden der Zahnmedizin haben die wichtige Rolle der Vielzahl der Gesundheitsdienstleister beim Ausbruch von Infektionskrankheiten verdeutlicht.  Zahnmedizinische Fachkräfte gehören zu den erfahrensten Berufsgruppen im Gesundheitswesen im Hinblick auf Infektionsprävention und -kontrolle (IPK).   Das bedeutet, dass die Durchsetzung strikter Maßnahmen zur Infektionskontrolle in zahnmedizinischen Einrichtungen kein Hindernis bei der zahnmedizinischen Versorgung von Zahnpatienten ist. Herkömmliche, zusätzlich erweiterte Verfahren zur Kontrolle von durch Blut übertragbaren Infektionen im zahnärztlichen klinischen Umfeld sind kein Hindernis für die zahnmedizinische Versorgung. Allerdings sind aufgrund der Aerosolübertragung von SARS-CoV-2 während der Pandemie u. U. andere Herausforderungen der Infektionskontrolle entstanden, die die zahnärztliche Berufsausübung erheblich beeinflusst haben.

Die Erhaltung einer guten Mundgesundheit wurde in vielen Ländern insgesamt nicht als Priorität der Gesundheitspolitik angesehen. Einschränkungen der Bereitstellung zahlreicher routinemäßiger zahnmedizinischer Verfahren der Prävention, Diagnose und Therapie, der Ausschluss zahnmedizinischer Teams von der unmittelbaren Pandemiebekämpfung, das Misslingen der Lieferung adäquater  persönlicher Schutzausrüstungen (PSA) für zahnmedizinische Teams und der rechtzeitige Zugang zu Impfstoffen gehörten zu den Problemen, mit denen Zahnärzte und Mitglieder des zahnmedizinischen Teams direkt zu Beginn inmitten der COVID-19-Pandemie konfrontiert waren. Der Anstieg sowohl der Zahl der Notfallversorgungen als auch der Antibiotikaverordnungen aus zahnmedizinischen Gründen während der Pandemie waren ein alarmierender Indikator für die schwerwiegenden Folgen der Unterbrechung erforderlicher präventiver und therapeutischer zahnmedizinischer Versorgung.

 

Geltungsbereich

Diese FDI-Stellungnahme thematisiert die Erkenntnisse, die wir aus der COVID-19-Pandemie gewonnen haben, und befasst sich mit der Frage, wie wir diese Lehren nutzen können, um uns effektiv auf zukünftige Pandemien und Gesundheitskrisen vorbereiten zu können. Diese Stellungnahme befasst sich mit den folgenden Punkten:

  • Die Beschränkung der zahnmedizinische Versorgung ausschließlich auf Notfälle;
  • Zahnmedizin als essenzielle medizinische Versorgung und Zahnärzte als wichtige Gesundheitsdienstleister;
  • Die zwingend vorgeschriebene Schließung aller Zahnarztpraxen in zahlreichen Ländern;
  • Der Einsatz von Zahnärzten und zahnmedizinischen Teams an der Front und die Übernahme von Aufgaben außerhalb des Bereichs der normalen zahnärztlichen Praxis;
  • Der gravierende Mangel an zweckmäßiger PSA für Gesundheitsdienstleister;
  • Die Vernachlässigung der zahnmedizinischen Versorgung, da sie in den Pandemieplänen der Regierung nicht als hohe Priorität eingestuft wurde.

 

Die vorliegende Stellungnahme befasst sich nicht mit den Maßnahmen, die Zahnärzte und zahnmedizinische Teams ergreifen müssen, um die Ausbreitung infektiöser Krankheiten in zahnmedizinischen Einrichtungen zu minimieren.

 

Definitionen

COVID-19-Pandemie: Pandemie, die durch das Coronavirus 2 (SARS- COV-2) hervorgerufen wird und ein schweres akutes Atemwegssyndrom verursacht. Es wurde erstmals im Dezember 2019 in Wuhan, China, nachgewiesen.

Infektionsausbruch: eine plötzliche Zunahme des Auftretens einer Infektionskrankheit zu einer bestimmten Zeit und an einem bestimmten Ort.

 

Grundsätze

Die Mundgesundheit ist ein wichtiger und fester Bestandteil der Allgemeingesundheit.

Die zahnmedizinische Versorgung ist für die Gesundheit und das Wohlbefinden des Menschen unerlässlich.

Zahnärzte und Mitglieder des zahnmedizinische Teams sind wichtige Mitglieder der an vorderster Front eingesetzten Teams während einer Gesundheitskrise. 

 

Stellungnahme

Die FDI stellt fest:

  • Die wichtigste Aufgabe von Zahnärzten und Mitgliedern des zahnmedizinischen Teams während des Ausbruchs einer Infektionskrankheit besteht darin, eine sichere und angemessene zahnmedizinische Versorgung einschließlich präventiver, diagnostischer und therapeutischer Aufgaben wahrzunehmen.
  • Bei Bedarf können Zahnärzte und Mitglieder des zahnmedizinischen Teams mit entsprechender Kompetenz und Ausbildung andere Gesundheitsfachkräfte während des Ausbruchs von Infektionskrankheiten als Mitglieder der direkt an der Front zur medizinischen Versorgung eingesetzten Teams unterstützen.

Die FDI unterstreicht besonders:

  • die Bedeutung eines kontinuierlichen Zugangs zu einer therapeutischen und präventiven zahnmedizinischen Versorgung während des Ausbruchs von Infektionskrankheiten;
  • die Bedeutung des Zusammenhangs zwischen Mundgesundheit und Allgemeingesundheit und dem Wohlbefinden des Menschen;
  • die Wichtigkeit, die zahnmedizinische Versorgung zu einem festen Bestandteil der ersten Maßnahmen beim Ausbruch von Infektionskrankheiten zu machen;
  • den chronischen und langfristigen Verlauf vieler schwerer oraler Erkrankungen und die Auswirkungen, die Unterbrechungen der Behandlung auf den weiteren Verlauf dieser Erkrankungen haben können.

Die FDI rät Zahnärzten und anderen zahnmedizinischen Fachkräfte während des Ausbruchs einer Infektionskrankheit zu folgenden Verhaltensweisen:

  • Befolgung aller nationalen, regionalen und/oder lokalen Leitlinien und Verordnungen, die beim Ausbruch einer Infektionskrankheit gelten, um das Risiko einer Übertragung im klinischen Umfeld zu verringern;
  • Förderung einer optimalen Mundgesundheit durch Prävention und Patientenaufklärung, um Patienten in die Lage zu versetzen, ihre Mundgesundheit zu erhalten;
  • Verwendung innovativer Technologien wie Telezahnmedizin (falls zweckmäßig), um eine synchrone oder asynchrone Ferndiagnose bzw. präventive oder therapeutische Fernbehandlungen von Patienten zu ermöglichen.

Die FDI spricht sich gemeinsam mit den örtlichen nationalen Zahnärzteverbänden (NDA) für folgende Maßnahmen aus:

  • Beteiligung der Zahnärzte und der Mitglieder des zahnmedizinischen Teams an allen Diskussionen und Entscheidungen, die mit  Regulierungen und Vorschriften die medizinische Versorgung und das medizinische Personal betreffen;
  • Sicherstellung eines adäquaten Zugangs zu zweckmäßiger PSA zu tragbaren Kosten;
  • Bereitstellung von Modulen für die berufliche Weiterbildung zu den Themen Infektionskontrolle, Infektionskrankheiten, Immunität und anderen verwandten Themen für aktiv praktizierende Ärzte;
  • Unterstützung der Bereitstellung einer angemessenen finanziellen und verwaltungstechnischen Unterstützung für zahnmedizinische Fachkräfte während zeitlich beschränkter Praxisöffnungen aufgrund des Ausbruchs von Infektionskrankheiten;
  • Bereitstellung einer angemessenen finanziellen und verwaltungstechnischen Unterstützung für öffentliche Mundgesundheitsprogramme als Unterstützung für die Bewältigung zusätzlicher Kosten, die aufgrund der Befolgung örtlicher Vorschriften für die Bereitstellung einer sicheren Praxisumgebung entstehen;
  • Aufnahme von Zahnärzten, Studierenden der Zahnmedizin und anderen Angehörigen zahnmedizinischer Berufe in die Prioritätsgruppen für Impfungen;
  • Einbindung von Zahnärzten und Studierenden der Zahnmedizin in geeignete Schulungsprogramme zur Verabreichung von Impfstoffen.

Die FDI empfiehlt zahnmedizinischen Fakultäten und Instituten folgende Maßnahmen:

  • Vorbereitung von Studierenden der Zahnmedizin auf den Ausbruch von Infektionskrankheiten durch Studienpläne, die eine Ausbildung im Fach Public Health und Infektionskrankheiten einschließlich Übertragung, Prävention und Kontrollmaßnahmen vorsehen;
  • Sicherstellen der Ausbildung von Studierenden der Zahnmedizin in evidenzbasierter Infektionskontrolle und evidenzbasierten klinischen Verfahren, um die Entstehung von Aerosolen zu verringern und das Management von Aerosolen zu verbessern;
  • Ergänzung der Lehrpläne durch Ausbildungsinhalte, die die Bedeutung einer berufsübergreifenden Zusammenarbeit in der zahnmedizinischen Ausbildung hervorheben;
  • Bereitstellung von Lernmöglichkeiten mit Integration digitaler und virtueller Lehrmethoden und Präsenzveranstaltungen;
  • Vermittlung der für die Studierenden wichtigen Kenntnisse und Kompetenzen, damit sie im Notfall die an der Front eingesetzten Teams unterstützen können.

Die FDI empfiehlt Forschungsinstituten als Maßnahme:

  • Weitere Forschungen zur Übertragung infektiöser Krankheiten und zur Minimierung der Übertragungsgefahr in zahnmedizinischen Einrichtungen besonders im Hinblick auf die Entstehung von Aerosolen und Maßnahmen der Infektionskontrolle.

 

Schlüsselwörter

Infektionskrankheit, Ausbruch, Mundgesundheit

 

Disclaimer

Die Informationen in dieser Stellungnahme basieren jeweils auf dem aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand. Sie können so ausgelegt werden, dass sie existierende kulturelle Sensibilitäten und sozioökonomische Zwänge widerspiegeln.

 

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