Management von Lippenspalten und Gaumenspalten

ADOPTED by FDI General Assembly September, 2021 in Sydney, Australia

Kontext

Lippenspalten (LS) und Gaumenspalten (GS) stellen die am häufigsten angeborenen Fehlbildungen der Kopf- und Halsregion dar.1 Die verfügbaren Daten deuten darauf hin, dass die Gesamtprävalenz für Lippen- und Gaumenspalten (LGS) etwa bei 1:700 Lebendgeborenen liegt, wobei es beträchtliche ethnische und geographische Unterschiede gibt.2

Orofaziale Spaltbildungen sind mit Weichgewebedefekten und sekelettalen Fehlbildungen und/oder Zahndefekten assoziiert.3,4 Kinder, die mit einer Lippen- oder Gaumenspalte geboren werden, können eine moderate bis schwere Malokklusion aufweisen5,6 und erhebliche Probleme beim Stillen, Essen, Sprechen, Hören, Lachen oder sogar Atmen haben; alle diese Beeinträchtigungen können physische und psychosoziale Auswirkungen haben und die Lebensqualität beeinträchtigen. 7,9

CLP wird mit sozialer und psychiatrischer Morbidität assoziiert, die Auswirkungen auf Patienten und Pflegekräfte hat.10

Zahnmediziner, Kieferorthopäden und Kiefer- und Gesichtschirurgen müssen gemeinsam mit anderen Gesundheitsdienstleistern in unterschiedlichen Wachstums- und Entwicklungsphasen des Patienten intervenieren.  

Eine langfristige Teamarbeit ist essenziell, um erfolgreiche Behandlungsergebnisse  zu erzielen. Die Spezialistenteams, die diese LGS-Patienten behandeln, müssen der Ergebnisbeurteilung einen hohen Stellenwert geben, und alle Mitglieder eines Behandlungsteams müssen die Bedeutung einer kontinuierlichen Beurteilung begreifen, um zukünftige klinische Protokolle weiter zu verbessern.

 

Geltungsbereich

Die vorliegende Stellungnahme unterstreicht die Bedeutung eines multidisziplinären und sequenziellen Managements von LS, GS und LGS sowie die wichtige Rolle zahnmedizinischen Fachpersonals innerhalb des LS- und GS-Behandlungsteams. 

 

Grundsätze

Die LGS-Behandlung erfolgt fachübergreifend und erfordert eine koordinierte Vorgehensweise durch Spezialisten während unterschiedlicher Wachstums- und Entwicklungsphasen des Patienten. Eine koordinierte Teamarbeit ist eine unverzichtbare Voraussetzung für die Optimierung der Behandlungsergebnisse. Während der Behandlungszeit kommt Allgemeinzahnärzten, Kinderzahnärzten  und Kieferorthopäden eine wichtige Rolle als Mitglieder des LGS-Behandlungsteams zu.

 

Stellungnahme

Der FDI Weltverband der Zahnärzte empfiehlt:

  • Einrichtung/Integration eines Moduls LGS-Mundgesundheit in die Lehrpläne für Allgemeinzahnärzte sowie Entwicklung eines Fortbildungsprogramms für Zahnärzte und Kieferorthopäden, das auf die Bedeutung der Behandlung von LGS-Patienten als multidisziplinäre Aufgabe hinweist.
     
  • In Ländern, in denen ein organisiertes System der Behandlung von Patienten mit LGS nicht existiert, sollten die NDAs Zentren oder Netzwerke mit Gesundheitsfachkräften einrichten, die in die Behandlung von LGS-Patienten eingebunden werden, darunter plastische Chirurgen, Kiefer- und Gesichtschirurgen, Zahnärzte und Kieferorthopäden.
  • Erstellen von LGS-Leitlinien für die klinische Praxis für Angehörige zahnmedizinischer Berufe und andere Gesundheitsfachkräfte, die Patienten mit LGS behandeln.
  • Das zahnmedizinische Team hilft Eltern, die Bedeutung einer guten Mundgesundheit für ihre Kinder ab der Geburt zu erkennen mit besonderem Schwerpunkt auf der sorgfältigen Pflege des Milchgebisses.
  • Hinweis darauf, dass ein ideales kieferorthopädisches Behandlungsergebnis von einer ausgezeichneten Mundhygiene und einem gut restaurierten krankheitsfreien Gebiss abhängt.
     
  • Hinweis auf die Möglichkeit einer interzeptiven Intervention direkt nach der Geburt und einer kieferorthopädischen Frühbehandlung im Alter von 5 bis 10 Jahren; außerdem Versiegelung von Fissuren der ersten permanenten Molaren. Eine periapikale Entzündung des Milchgebisses, das an die alveolare Spalte grenzt, sollte vor Durchführung eines Knochentransplantats behandelt werden.
  • Schwerpunkt auf der Prävention dentaler Erkrankungen während des Übergangs vom Milchgebiss zum bleibenden Gebiss sowie kontinuierliche Beurteilung des Gesichtswachstums pädiatrischer Patienten mit einhergehenden zweckmäßiger Anpassung des laufenden Behandlungsplans.  
  • Regelmäßiger Austausch zwischen dem Mundgesundheitsteam (Allgemeinzahnärzte, Kinderzahnärzte und Kieferorthopäden) mit Angehörigen anderer medizinischer Berufe).

 

Schlüsselwörter

Lippenspalte, Lippen- und Gaumenspalte, multidisziplinäres Management, Mundgesundheit, Lebensqualität, Mundgesundheitsversorgung

 

Disclaimer

Die Informationen in dieser Stellungnahme basieren jeweils auf dem aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand. Sie können so ausgelegt werden, dass sie existierende kulturelle Sensibilitäten und sozioökonomische Zwänge widerspiegeln.

 

Literaturhinweise

1.   Coupland MA, Coupland AI. Seasonality, incidence, and sex distribution of cleft lip and palate births in Trent Region, 1973-1982. Cleft Palate J.  1988;25(1):33–37.

2.   Weltgesundheitsorganisation. Addressing the global challenges of craniofacial anomalies: Bericht über eine WHO-Konferenz zum Thema International Collaborative Research on Craniofacial Anomalies. Genf, Schweiz: WHO; 2006.

3.   Shapira Y, Lubit E, Kuftinec MM. Hypodontia in children with various types of clefts. Angle Orthod. 2000;70(1):16-21.

4.   Harris EF, Hullings JG. Delayed dental development in children with isolated cleft lip and palate. Arch Oral Biol. 1990;35(6):469-473.

5.   Friede H. Growth sites and growth mechanisms at risk in cleft lip and palate. ActaOdontol Scand. 1998;56(6):346–351.

6.   Normando AD, da Silva Filho OG, CapelozzaFilho L. Influence of surgery on maxillary growth in cleft lip and/or palate patients. J Craniomaxillofac Surg. 1992; 20(3):111– 118.

7.   Hunt O, Burden D, Hepper P, Johnston C. The psychosocial effects of cleft lip and palate: a systematic review. Eur J Orthod. 2005;27(3):274–285.

8.   Antonarakis GS, Patel RN, Tompson B. Oral health-related quality of life in non-syndromic cleft lip and/or palate patients: a systematic review. Community Dent Health. 2013;30(3):189–195.

9.   Pisek A, Pitiphat W, Chowchuen B, Pradubwong S. Oral health status and oral impacts on quality of life in early adolescent cleft patients. J Med Assoc Thai. 2014;97:10-16.

10. Fadeyibi IO, Coker OA, Zacchariah MP, Fasawe A, Ademiluyi SA. Psychosocial effects of cleftlip and palate on Nigerians: the Ikeja-Lagos experience. J Plast Surg Hand Surg. 2012;46(1):13–8.

 

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